Am 26. November ging es für TMM auf die virtuelle Rennstrecke. Dank der Simulationsplattform „Black Mamba“ fühlt es sich aber fast genauso an wie im echten Rennwagen. (Bildquelle: Christoph Große)

Virtuelle Rennen, reale Daten, nachhaltige Forschung

Datum: 19.12.2025 Text: Christoph Große und Michael Walther

TMM-Bolide auf der Rennveranstaltung in den Niederlanden beim sogenannten Tilt-Test

(Bildquelle: Marc Fleischer)

Die „Black Mamba“ wurde zur Simulationsplattform umgebaut. Davon profitiert nicht nur das TMM, sondern auch die Forschung im Living Lab.

(Bildquelle: Josefine Welk)

Christoph Große auf der Jagd nach einer möglichst schnellen virtuellen Rundenzeit

(Bildquelle: Christoph Große)

Beim Simracing-Event kamen speziell für die Formular Student angefertigte Mods zum Einsatz.

(Bildquelle: ModLand)

Ausschnitt des entwickelten Softwaretools zur Telemetriedatenanalyse und Datentransformation von Realfahrdaten hin zu Simulatordaten

(Bildquelle: Max Schlosser)

Die Hochschule Mittweida bietet ihren Studierenden zahlreiche Möglichkeiten, sich auch über das Studium hinaus zu engagieren und weiterzubilden. Ein Beispiel dafür ist das Technikum Mittweida Motorsport (TMM), welches ursprünglich als Projekt der Fakultät Ingenieurwissenschaften (INW) begann und sich mittlerweile zu einem hochschulübergreifenden Vorhaben mit Mitgliedern aus allen Fakultäten entwickelt hat. Die Leitung des Projekts obliegt Prof. Dr.-Ing. Frank Weidermann und Prof. Dr.-Ing. Lutz Rauchfuß von der Fakultät INW. Kooperiert wird unter anderem mit dem Institut CSMRT der Fakultät Angewandte Computer- und Biowissenschaften. Bereits im Jahr 2006 begannen Studierende mit der Entwicklung und dem Bau des ersten Rennboliden, damals noch unter Nutzung eines Verbrennermotors, seit 2018 voll elektrisch. 

Wie gut die von TMM entwickelten Rennwagen im Vergleich zu anderen Teams abschneiden, zeigt die Teilnahme an den jährlich stattfindenden nationalen und internationalen Formula-Student-Wettkämpfen. Dabei handelt es sich um einen internationalen Konstruktionswettbewerb, bei dem Studierende eigenständig einen einsitzigen Rennwagen entwickeln, bauen und erproben. Interdisziplinarität ist hier der Schlüssel zu guten Ergebnissen. Im Rahmen der Wettbewerbsveranstaltungen muss das Fahrzeug nicht nur in verschiedenen dynamischen Disziplinen überzeugen, sondern sich auch in mehreren statischen Kategorien bewähren, die über die reine technische Umsetzung hinausgehen, beispielsweise in den Bereichen Marketing, Kostenanalyse und Businesskonzept. 

Der zweite elektrische Rennbolide „Black Mamba“, der in den Jahren 2022 und 2023 gefertigt wurde, nahm im Jahr 2023 zunächst am Formula-Student-Event in den Niederlanden sowie anschließend an einer Veranstaltung in Deutschland teil. Im Jahr 2024 wurde die „Black Mamba“ zu einer Simulationsplattform umgebaut und ist nun Teil des Living Labs “Motion Simulation und Softwareentwicklung” unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Matthias Vodel. Der im Chassis des ehemaligen Rennboliden integrierte Simulator ermöglicht es TMM, Fahrten realitätsnah zu simulieren und Fahrer unabhängig vom realen Fahrbetrieb zu schulen und zu trainieren. Im Gegensatz zum TMM verfügen nur wenige Formula-Student-Teams über die Möglichkeit, Simulatorfahrten in einem originalen Rennwagenchassis durchzuführen.  

Nach den realen Einsätzen auf der Rennstrecke wagte TMM am 26. November 2025 erstmals den Schritt in den virtuellen Wettbewerb „Virtual Formula Student Alpe Adria“. Das Event selbst fand zum dritten Mal statt und bietet internationalen Formula-Student-Teams die Möglichkeit, in einem virtuellen Rennen gegeneinander anzutreten. Hierfür wurde die reale Autocross-Strecke der Bugatti Rimac Go-Kart Rennstrecke in Mičevec, Kroatien, simuliert. Diese Strecke ist durch eine Kombination aus engen Kurven, Slalomabschnitten und kurzen Geraden gekennzeichnet und dient auch als Austragungsort eines jährlichen Formula-Student-Events. 

Das Event erstreckte sich vom 25. bis 27. November 2025 und verzeichnete die Teilnahme von 119 internationalen Teams aus 36 Ländern und fünf Kontinenten. Die Wettbewerbe wurden in der Simulationssoftware Assetto Corsa ausgetragen, wobei jedes Team mit zwei Fahrern antrat. Zunächst absolvierten die Fahrer ein Qualifying zur Festlegung der Startpositionen, anschließend folgte ein Rennen über 14 Runden. Für TMM gingen Christoph Große und Jannik Lange an den Start und belegten im Halbfinale den 15. Platz von insgesamt 20 teilnehmenden Teams innerhalb ihrer zugeordneten Gruppe. Eine Qualifikation für das Finale wurde bei der ersten Teilnahme somit nicht erreicht. Durch die verbesserten Trainingsmöglichkeiten im Living Lab werden für eine erneute Teilnahme im kommenden Jahr jedoch bessere Erfolgsaussichten erwartet. Die drei erstplatzierten Teams erhielten über das virtuelle Event einen Startplatz für das reale Formula-Student-Event im Jahr 2026. Den ersten Platz belegte das PGRacing Team der Technischen Universität Danzig aus Polen. Alle Teilnehmer fuhren einen identischen virtuellen Formula-Student-Rennboliden, der auf dem Fahrzeug MFT02 des spanischen MAD Racing Teams basiert. 

Die Erfahrungen aus den realen und virtuellen Wettbewerben bilden jedoch nicht nur die Grundlage für die sportliche Weiterentwicklung des Teams, sondern fließen zunehmend auch in die Forschungsarbeit an der Hochschule Mittweida ein. Als Simulationsplattform dient die „Black Mamba“ als Bindeglied zwischen studentischem Wettbewerb und angewandter Forschung. Ein Beispiel stellt das derzeit laufende Forschungsprojekt „Telemetriedatenbasierte ML-Datenanalyse und Konfigurationsmanagement im Bereich Automotive Simulation“, das von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) gefördert wird, dar. Im Rahmen des Projektes ist es den beteiligten wissenschaftlichen Mitarbeitern bereits gelungen, die im Projekt aufgezeichneten Telemetriedaten von Renn- und Straßenfahrzeugen aus der Realwelt mithilfe eines neu entwickelten Ansatzes definierten Fahrzeugkategorien zuzuordnen. Auf dieser Grundlage konnten die Daten anschließend durch geeignete Berechnungsschritte in Simulationsprofile überführt werden, welche für die Ansteuerung der jeweiligen Simulator-Plattformen verantwortlich sind. Genutzt wird dafür die im Projekt entwickelte Software, in der Daten aus der Simulation mit Daten von der realen Strecke vergleichbar gemacht werden. “Wir erzielen immer größere Fortschritte darin, das Verhalten unserer Simulatoren an die Realwelt anzugleichen.”, erzählt Max Schlosser, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter aktuell an KI-basierten Ansätzen zur Fahrdatenauswertung forscht. “Aktuell optimieren wir die Verfahren, mit denen wir Daten nicht nur direkt vergleichen, sondern mit weiteren Metadaten anreichern”, ergänzt er und beschreibt damit die Fähigkeit des Systems, Fahrdaten mit personenbezogenen Daten oder weiteren Sensordaten anzureichern. 

Der entwickelte Ansatz ermöglicht es somit, das in der Realwelt aufgezeichnete Fahrzeugverhalten (beispielsweise eines Formula-Student-Rennwagens) innerhalb einer Simulationsumgebung realitätsnah abzubilden. Diese Entwicklung erlaubt es unter anderem Rennteams, wie eben dem TMM, unabhängig von Witterungsbedingungen und unter reproduzierbaren Rahmenbedingungen eine immersive Fahrervorbereitung durchzuführen. 

Nach der bislang erfolgreichen Zusammenarbeit von TMM mit verschiedenen Fakultäten der Hochschule Mittweida, wie beispielsweise dem gemeinsamen Umbau eines Rennboliden zu einem Fahrsimulator im Jahr 2024, ist geplant, diese Kooperation fortzuführen und weiter auszubauen. Vorgesehen sind unter anderem sogenannte Simulatortage, an denen die Mitglieder von TMM die Simulatoren des Living Labs nutzen können, um ein realitätsnahes Fahrgefühl eines Rennboliden zu erleben.

Weiterführende Informationen zum Labor und den kooperativen Ausbildungsprojekten erteilt Prof. Dr. Matthias Vodel, Tel. +49 3727 58-1010, E-Mail: vodel@hs-mittweida.de

Weitere Informationen zum TMM finden Sie unter: https://www.tm-motorsport.net/

Weitere Informationen zum Projekt SABInnoteam finden Sie unter https://csmrt.hs-mittweida.de/portfolio-items/sab-innoteam/?portfolioCats=9